Bericht vom Studientag Rechenschwäche in Köln

Martina Schneider am Rednerpult
Martina Schneider eröffnet den Studientag

Ein großes Plus für Lehrer und Eltern

von Bettina Schwarz, Lerntherapeutisches Zentrum Rechenschwäche (LZR) Köln

„Bloß kein Minus, lieber Plus!“ – Das Motto dieses Studientages am 5. Februar 2010 in Köln hätte man im Vorfeld auch den Organisatoren dieser Dyskalkulie-Großveranstaltung in den Mund legen können. Wer wünscht sich schon ein Minus bei den Anmeldungen oder, schlimmer noch, bei den Rückmeldungen der Teilnehmer? Doch noch bevor die letzten der über 200 Besucher am Abend die Seminarräume des Zentrums für Frühbehandlung und Frühförderung verlassen hatten, stand fest: Die Teilnehmer haben viele neue Anregungen und Informationen mitgenommen. Unter dem Strich des Studientages Rechenschwäche steht ein schönes, großes Plus für alle!

Blick ins Plenum
Lehrer, Erzieherinnen, Kinderärzte,
Mitarbeiter von Jugendämtern, Pädagogen
und Therapeuten beim Studientag

170 Tagungsteilnehmer, zum Großteil Lehrer aller Schulformen, aber auch Erzieherinnen, Kinderärzte, Mitarbeiter von Jugendämtern, Pädagogen und Therapeuten, waren erschienen. „Wir hatten noch viel mehr Anmeldungen, aber leider nicht genügend Platz für alle Menschen“, sagte zur Begrüßung Martina Schneider, Leiterin des LZR Köln, das gemeinsam mit dem Arbeitskreis Lernforschung Veranstalter des Studientages war. „Der große Andrang bestärkt uns in der Vermutung, dass der Bedarf sehr groß ist, mehr über Rechenschwäche zu erfahren.“ Und wie zur Bestätigung kamen zum offenen Informationsabend für Eltern noch einmal gut 40 Besucher, die den Referenten Wolfgang Hoffmann (MLZ Dortmund/Bochum) nach seiner Einführung interessiert und eindringlich befragten. „Mein Sohn ist zwar erst in der ersten Klasse, aber ich merke genau, dass er sich nicht vom Abzählen an den Fingern lösen kann“, sagte eine Mutter, die wissen wollte, wie sie die Lehrerin davon überzeugen könne, nicht abzuwarten, bis das Kind an seinen Schwierigkeiten verzweifelt. „Arbeiten Sie nicht gegen die Lehrerin, sondern möglichst mit ihr zusammen“, riet Hoffmann und empfahl der Mutter, ihren Sohn in einer dyskalkulie-therapeutischen Facheinrichtung testen zu lassen. „Mit dem förderdiagnostischen Gutachten in der Hand können Sie die Schwierigkeiten Ihres Kindes genau benennen und überzeugend vertreten!“

Eine Frau wird interviewt
Auch dabei: der Deutschlandfunk

Zu dem Zeitpunkt waren die Tagungsteilnehmer schon auf dem Weg in ihr Wochenende, wohlverdient mit dreimal neunzig Minuten gespannter Aufmerksamkeit, noch dazu am Ende einer anstrengenden Arbeitswoche. In den Vorträgen war von Müdigkeit nichts zu merken. Über hundert Lehrer lauschten konzentriert dem einführenden Vortrag von Ulf Grebe (LZR Köln) „Vom Denkfehler zur Fünf in Mathe“, der vermittelte, woran man rechenschwache Schüler im Unterricht erkennen kann, warum diese solche Schwierigkeiten mit dem Lernfach Mathematik haben und wie man – als Lehrer – mit diesen umgehen sollte. Parallel erläuterte Hans-Joachim Lukow (OZmL Osnabrück) in seinem Frühförder-Vortrag die Phasen kindlicher Entwicklung in Hinblick auf mathematisches Denken. Um typische Rechenschwäche-„Karrieren“ zu vermeiden, kommt es darauf an, frühzeitig den Lernprozess zu unterstützen, wenn bestimmte Erkenntnisse nicht von selbst erworben werden. Lukow stellte hierzu ein nützliches Testverfahren vom Arbeitskreis Lernforschung für Vorschulkinder vor, das auch Kinderärzten und Erzieherinnen bei der Früherkennung von Störungen des mathematischen Lernens hilft.

Wer schon über Grundlagenwissen verfügte, konnte sich in einem Gastvortrag des Instituts für Legastheniker-Therapie Köln über die andere der beiden großen Teilleistungsstörungen informieren lassen. Genau wie die Rechenschwäche verhindert auch eine Lese- und Rechtschreibschwäche die normale Teilhabe am Unterricht und am gesellschaftlichen Leben. Und wie die Dyskalkulie kann auch die Legasthenie durch eine sachgemäße Kombination von Früherkennung und Therapie weitgehend behoben werden.

Ein Mann am Flipchart
Referent Ulf Grebe (LZR Köln)

In zwei weiteren Vortragsblöcken wurden aufbauende Themen bearbeitet: Wolfgang Hoffmann demonstrierte in einem viel beachteten Vortrag den Unterschied zwischen „Mit den Fingern zählen“ und „mit Fingern rechnen“. Christian Bussebaum (MLI Düsseldorf) widmete sich gleich zweimal „mathematischen Hürden“ des Schüleralltags – dem Stellenwertsystem und dem Thema Multiplikation/Division. Hans Brühl (ZDB Bonn) gab Einblicke in die, meist verschleppten, Probleme rechenschwacher Schüler auf den weiterführenden Schulen. Dr. Michael Wehrmann (IML Braunschweig) stellte die „Qualitative Förderdiagnostik“ vor, eine Fördermethode, die Lehrern im Unterricht einen verbesserten Zugang zu den Lernschwierigkeiten in Mathematik eröffnen kann. Wie Lernmaterialien manchmal eher zur Last von Schülern und Lehrern werden, statt zur Lust am Lernen beizutragen, zeigte Ulf Grebe anschaulich am Ende des spannenden und informativen Studientages auf.

„Alles hat super geklappt, was ja gar nicht leicht ist bei so vielen Leuten!“, schrieb anerkennend eine Teilnehmerin. Ähnlich äußerten sich viele. Hervorgehoben wurde die Qualität der Vorträge insgesamt. Vereinzelt wünschten sich kritische Stimmen für künftige Veranstaltungen „noch mehr praktische Tipps für den Unterricht“ oder – angesichts der Themenfülle verständlich – „mehr Zeit!“ Doch im Gesamturteil gab es wenig Differenzen: „gut“ oder „sehr gut“ fanden die Teilnehmer den Studientag Rechenschwäche. Was bei den Veranstaltern vom Arbeitskreis Lernforschung und dem LZR Köln natürlich Freude und Erleichterung auslöste.

>> Arbeitskreis Lernforschung